Studie zu Corona und (Jugend-)Freizeitmaßnahmen

Foto: Leonard Wolf; CC-BY 4.0 Demokratielabore

Der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) präsentiert die Ergebnisse einer bundesweiten Erhebung zu "Auswirkungen der Coronapandemie auf jugendverbandliche Freizeitmaßnahmen". Erhoben wurden die Daten unter den Mitgliedern des DBJR und seinen Untergliederungen, darunter auch der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland (aej). Die Studie setzt sich mit Erfahrungen, Herausforderungen und Veränderungen bei den Maßnahmen auseinander, die zwischen 2020 und 2022 gemacht worden sind.

Auch wenn wir alle hoffen, dass unsere Freizeitarbeit 2023 wieder voll und ganz an die Zeit vor Corona anknüpfen kann, ist es wichtig, sich die Erfahrungen der Coronajahre anzuschauen und zu reflektieren.

  • Welche Erfahrungen haben wir gemacht?
  • Mit welchen Erfahrungen können wir gut weiterarbeiten, weil sie sich bewährt haben?
  • Welche Themen bleiben uns erhalten und welche davon sollten wir in die Gesellschaft zurückspielen?
  • Verändern sich Anforderungen an unsere Arbeit und
  • Was machen wir an den Stellen, wo es zunächst weniger ehrenamtliche Mitarbeitenden gibt, als im Vorfeld.

Die Studie des DBJR liefert dazu aktuelle Einblicke und regt zum Nachdenken an.Schau gerne rein! Kurzinfos zur Studie findest du am Schluss des Artikels.

Wichtigste Ergebnisse

Entwicklung der Anmeldezahlen bei Jugendfreizeitmaßnahmen

Die Mehrheit der Teilnehmenden (56,8%) gibt an, dass es derzeit insgesamt weniger Anmeldungen gibt. Teilweise gibt es aber auch Anteile, die sagen, dass die Anmeldezahlen im Vergleich zu der Zeit vor Corona mehr (14,3%) oder deutlich mehr (7%) geworden sind.

Bei der aej: 19% geben an, deutlich mehr oder mehr Anmeldezahlen zu registrieren im Vergleich zu vor der Pandemie. 21% geben an, die Anmeldezahlen seien genauso hoch wie vor der Coronapandemie. 58% registrieren weniger oder deutlich weniger Anmeldungen als vor der Coronapandemie. Diese Zahlen sind dem verbandsübergreifenden Durchschnitt sehr ähnlich.

Eine Ausnahme stellen die sog. Helfendenverbände dar, z.B. die Deutsche Jugendfeuerwehr. Der Anteil derjenigen, der aussagt, die Anmeldezahlen seien genauso hoch wie vor Corona, ist deutlich größer als der Durchschnitt (33% im Vergleich zu durchschnittlich 21%).

Im Vergleich zum Durchschnitt ist insbesondere die Bundesebene sowie die überregionale/Kreisebene vom Rückgang der Anmeldungen betroffen. Dagegen ist die örtliche/kommunale Ebene weniger vom Rückgang der Anmeldezahlen betroffen. Auf allen Ebenen oberhalb der örtlichen Ebene berichten mehr als 50% der Träger von rückläufigen Anmeldezahlen.

Die aktuellen Planungen für internationale Maßnahmen zeigen, dass in diesem Bereich auch 2022 im Vergleich zu den Entwicklungen der allgemeinen Anmeldezahlen noch erhebliche Auswirkungen der Pandemie in Form einer zurückhaltenden Planung zu spüren sind.

Einordnung: Die sehr unterschiedlichen Erfahrungen zu den Anmeldezahlen könnte daran liegen, dass das Anmeldeverhalten insgesamt heterogen ist: Einerseits ist der vermutete Nachholeffekt vorhanden, andererseits herrscht in Anbetracht der zum Zeitpunkt der Umfrage (Frühsommer 2022) zwar abflauenden, aber zahlenmäßig bis dato stärksten Infektionswelle möglicherweise eine allgemeine Zurückhaltung bei der Anmeldung.

Auswirkungen der Coronapandemie auf das aktuelle Format der Maßnahmen

Die Formate der Freizeitmaßnahmen haben sich bei einigen geändert, allerdings nicht bei allen Befragten gleichermaßen. Gefragt wurde danach, wie sehr die nachfolgenden Aussagen auf die eigenen aktuellen Maßnahmen zutreffen (als Auswirkung der Pandemie).

Die größte Zustimmung von allen vier Aussagen bekam diese: "Es werden vermehrt regionale Reiseziele statt Fernziele ausgewählt."

  • 47% stimmt eher/ voll zu
  • 54% stimmt eher/ gar nicht zu

"Es finden alternativ zu einer größeren Gruppenreise vermehrt Aktivitäten in kleineren Gruppen statt."

  • 38% stimmt eher/ voll zu
  • 61% Stimmt eher nicht / gar nicht zu

Es finden alternativ zu einer größeren Gruppenreise vermehrt Aktivitäten in kleineren Gruppen statt.

  • 38% stimmt eher/ voll zu
  • 63% stimmt eher nicht/ gar nicht zu

Am wenigsten Zustimmung bekam folgendes Item: "Es werden vermehrt digitale oder hybride Formate genutzt."

  • 36% stimmt eher / voll zu (am wenigsten Zustimmung von allen Items)
  • 65% stimmt eher nicht/ gar nicht zu

(Achtung! Nicht dargestellt wurden die Prozente der Antwortmöglichkeit "Kann ich nicht einschätzen")

Einordnung: Mehr als ein Drittel der Befragten stimmt allen vier Aussagen eher oder voll zu, d.h. bei mehr als einem Drittel der Befragten haben sich definitiv Anpassungen der Formate ergeben. Wie dauerhaft diese Anpassungen sein werden, kann nicht gesagt werden. Es gibt jedoch deutlich mehr Befragte (knapp die Hälfte bis zwei Drittel), bei denen sich kaum oder gar keine Änderungen der Maßnahmen ergeben haben.

Entwicklung der Lage bei den ehrenamtlichen Teamer*innen

Über die Hälfte (56%) der Befragten hat angegeben, dass sich die Anzahl der aktiven Teamer*innen im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie verringert hat. Davon sind 17% der Meinung, die Anzahl habe sich sogar deutlich verringert.

Es gibt einen schwachen Zusammenhang zwischen den Teilnehmendenzahlen und der Anzahl der Ehrenamtlichen, d.h. je weniger Ehrenamtliche aktiv sind, desto niedriger sind die Anmeldezahlen.

Einige Helfendenverbände (wie z.B. Jugendfeuerwehr, DLRG-Jugend, DRK-Jugend, THW-Jugend etc.) sind weniger stark vom Rückgang der Ehrenamtlichen betroffen. Das heißt, bei diesen Verbänden gibt es mindestens so viele ehrenamtlich Aktive gibt wie vor Corona, wenn nicht sogar mehr als vor Corona.

Der Rückgang von Teamer*innen bei ländlichen Jugendverbänden ist deutlich geringer ausgeprägt. Es gibt hier eventuell einen Zusammenhang zu den Helfendenverbänden, die stärker im Bereich der Gemeinden und mittelgroßen Städte aktiv sind als andere Verbände.

Stärker betroffen vom Rückgang der Teamer*innen sind dagegen Mittel- und Großstädte sowie die Nicht-Helfendenverbände wie beispielsweise die AEJ.

Einordnung: Dem Rückgang stehen im Verhältnis nur sehr wenige Angaben über eine Erhöhung der Zahl aktiver Teamer*innen gegenüber. Eine gewisse Schwankung bei der Anzahl Ehrenamtlicher ist durch den üblichen verhältnismäßig schnellen „Generationenwechsel“ nicht unüblich. Jedoch lassen diese Angaben auf einen erheblichen Rückgang Ehrenamtlicher schließen. In Anbetracht der hohen Zahl an für 2022 (und dementsprechend wohl auch für die Folgejahre) geplanten Freizeitmaßnahmen wird dies ein erhebliches Problem in der Realisierung von Freizeiten sein.

Lage bei den Übernachtungs- und Bildungsstätten

Knapp über 50% der Befragten gaben an, dass es im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie schwieriger geworden ist, geeignete Übernachtungsstätten wie Bildungsstätten, Zeltplätze oder andere Freizeiteinrichtungen zu finden.

17% derjenigen Gruppen, die regelmäßig die gleichen Übernachtungsstätten nutzen, stehen mindestens einer dauerhaft geschlossenen Übernachtungsstätte gegenüber.

Einordnung: Die Coronapandemie hat durch den massiven und flächendeckenden Ausfall von Buchungen die meist gemeinnützig organisierten Einrichtungen in erhebliche (finanzielle) Schwierigkeiten gebracht. Trotz der staatlichen Rettungspakete wurden die infrastrukturellen Grundvoraussetzungen für Jugendfreizeitmaßnahmen erheblich erschüttert.

Wesentliche Voraussetzungen und aktuelle Hürden für gute Jugendarbeit und Freizeitmaßnahmen

Folgende Stichpunkte wurden mittels offener Fragestellungen im Fragebogen erhoben.

Welche weiteren Auswirkungen auf die Formate der Maßnahmen stellt ihr fest?

  • Planungsunsicherheit, häufige Anpassung der Planung erforderlich, allg. Verängstigung
  • Erhöhter Planungsaufwand (z.B. Schutzmaßnahmen, Hygienekonzepte)
  • Unverbindlichere und kurzfristigere Anmeldungen
  • Online-Müdigkeit und Bedarf nach präsentischen Veranstaltungen
  • Verringerte Sozialkompetenz bei den Teilnehmenden (weniger belastbar und stressanfällig) => mehr Betreuungsbedarf
  • Dauerhafte Nutzung digitaler Medien (z.B. für kurze Fortbildungen oder Verbandsgremien auf höherer Ebene)

Wie versucht ihr neue Teamer*innen zu gewinnen? Womit habt ihr gute Erfahrungen gemacht?

  • Ehemalige Teilnehmenden werden idR bei Interesse zu Teamenden (insb. 14- bis 17-Jährige)
  • Persönliche individuelle Ansprache hilft (bei Teilnehmenden, die z.B. demnächst zu alt für die Maßnahmen werden)
  • Social-Media und Internetpräsenz zielgenau verstärken

Was sind dabei [der Teamer*innen-Gewinnung] aktuell die größten Hürden?

  • "Bruch" in 2020/21: Es fehlen die Generationen an Teilnehmenden, die in 2020/21 Erfahrungen mit Freizeiten gemacht hätten und jetzt als Interessierte an Teamenden-Positionen gefragt wäre
  • Zeitmangel (durch Schule, Schulabschluss, Wechsel der Stadt wegen Ausbildung/ Studium)

Was braucht es aus eurer Sicht für Rahmenbedingungen, um auch langfristig unter den Auswirkungen der Pandemie gute Jugendreisen durchführen zu können?

  • Langfristige finanzielle Förderung (für Personal)
  • Verständliche und klare (bundeseinheitlich) gesetzliche Regelungen
  • Planungssicherheit (in den Regularien der Jugendarbeit, Landesverordnungen, Fördermitteln)
  • Informationsangebot zu Jugendreisen während Corona
  • Erhaltung und Förderung von Übernachtungsstätten (Jugendbildungsstätten, Zeltplätze, Ausstattung)

Einordnung: Viele der Forderungen (insb. die nach finanzieller Förderung) haben keinen Bezug zu Corona und werden schon länger artikuliert.

Was sind aus eurer Sicht derzeit die drei größten Herausforderungen & Baustellen zur Gewährleistung guter Jugendfreizeitmaßnahmen?

  • Stärkung des Ehrenamts & Gewinnung von Teamer*innen
  • Finanzielle Förderung & steigende Preise
  • Gewinnung von Teilnehmenden
  • Planungsunsicherheit
  • Passende Übernachtungsstätten
  • Informationsangebot zu Jugendreisen unter Corona

Kurzinfos zur Studie

Die Studie untersuchte folgende Leitfragen:

  • Welche Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie auf die Freizeitmaßnahmen?
  • Wie ist die aktuelle Situation der Freizeitmaßnahmen nach der letzten Coronawelle? (Stand: Frühsommer 2022)

Freizeitmaßnahmen wurden wie folgt definiert: "Unter Jugendmaßnahmen verstehen wir alle - unabhängig von einer eventuellen Übernachtung – stattfindenden ortsveränderlichen Gruppenaktivitäten, die in der Regel in Bildungsstätten/Übernachtungsstätten stattfinden. Dazu zählen u.a. Freizeitmaßnahmen, thematische Aktionstage, Stadtranderholungen, Zeltlager, Camps, Schulungen (z.B. Juleica-Ausbildung), Workshops und Seminare." (S. 4f.)

Erhoben wurden die Daten über die Kommunikationskanäle des DBJR sowie seiner Mitgliedsorganisationen zwischen dem 28. April und 15. Juni 2022 mit einem Online-Fragebogen. Die Mitglieder informierten selbstständig ihre Untergliederungen. 29 der 35 Mitgliedsorganisationen haben sich beteiligt.

Zielgruppe der Studie waren Praktiker*innen von Freizeitmaßnahmen auf allen Organisationsebenen (vom regionalen Ortsverband bis zur Bundesebene).

Insgesamt sind 805 Fragebögen beantwortet worden, die Ausfüllquote beträgt 74%. Der Anteil der Befragten, die aus der aej stammten, beträgt 22,4% (174 in absoluten Zahlen).

Die Umfrage ist nicht wissenschaftlich repräsentativ, gibt jedoch im Rahmen ihrer Möglichkeiten wichtige Hinweise.

Kontakt

Falls Du eigene Erfahrungen mit uns teilen oder Rückmeldung geben möchtest, kannst du dich an Anna Schröder (anna.schroeder@ekmd.de) wenden.


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